Als wir in der Früh - noch vor dem Frühstück - die Nase aus der Hütte steckten, leuchtete uns zwar nicht direkt ein blauer Himmel entgegen, doch zumindest regnete es nicht und drüben im Adamello trafen einzelne Sonnenstrahlen die Gletscher. Das sah gut aus für unseren Steig.
Rückblick auf das Rifugio Tuckett
Nach dem Frühstück stapften wir über den kleinen Steig dem Benini-Steig entgegen. Wie versprochen war es ein netter kleiner Weg, der oberhalb der Bocca Tuckett auf den Benini-Steig mündete. Am Schnittpunkt legten wir das Klettersteig-Gerödel (Helm, Klettergurt, Klettersteigsicherung) an. Das brauchten wir dann auch gleich, denn der Abstieg zur Bocca Tuckett erfolgte über eine steile Felswand die ordentlich mit Leitern und Drahtseilen versehen war.
Die erste Leiter im Absteig zur Bocca Tuckett
In der Scharte trafen wir zwei Leute aus dem Refugio Tuckett, die über den kleinen Gletscher aufgestiegen waren (steil und unschön, wie sie sagten) und die dasselbe Ziel hatten wie wir: das Refugio Pedrotti. Wie wir wollen sie das aber vom Wetter abhängig machen. Klettersteige sind im Regen unangenehm und gefährlich (über und in den Regenwolken könnte sich ja auch ein Gewitter anschleichen, was das zusammen mit dem vielen Eisen in den Felsen bedeutet, kann man sich denken). Ausserdem macht es ja wenig Sinn, sich in eine so schöne Umgebung wie die Brenta zu begeben und dann das Beste zu verpassen, weil man nichts sieht.
Brentafelsen
Und das was man da sah, war einfach nur genial. Steile, kühn aufragende Felstürme aus rotem und grauem Gestein, geradezu aberwitzig anmutende Gletscher in steilstem Gelände. Das Wetter schien uns gewogen, immer öfter kam die Sonne raus und Wolken vom Morgen waren einer lockeren Schleierbewölkung gewichen.
Spaziergang auf einem Brentaband
Der Steig führte zunächst ohne nennenswerte Leitern durch Felsen die Cima Brenta hinauf und bog dann auf ein breites Felsband ab, das in angenehmer Steigung an der Ostwand der Cima Brenta entlang führte. In der Mitte tat sich plötzlich eine tiefe Rinne auf, die es über in paar sehr krumme (weil der Felswand folgend) aber stabile Leitern und mittels eines Drahtseils über den losen Felsen in der Rinne zu bezwingen galt.
Abstieg auf krummen Leitern in die 'Eisrinne' (inzwischen ohne Eis)
Wir folgten dem neuen Band, auf dem wir gelandet waren, um die Cima Brenta herum und landeten auf einer Art Fels-Plattform, von der wir einen ersten und überwältigenden Blick in die felsige Runde hatten, in der sich das Rifugio Brentei und das Rifugio Alimonta befinden. Der Anblick war so grossartig, dass wir eine Weile einfach nur sprachlos gucken konnten, bevor wir uns wie wild ans Fotografieren machten.
Von unserem Felsturm führte der Weg erst mal geradeaus in den Himmel (so sah es zumindest aus), bevor er am Ende der Plattform steil durch Felsen in die Tiefe führte. Schon von weitem konnten wir sehen, wie wir auf den nächsten Felsturm kommen würden: mit einer laaangen, langen Leiter, die schräg über steil und tief abfallende Rinnen gebaut war.
Das sah von weiterm schlimmer aus als es war. Wir mussten uns um ein Felstürmchen herum schlängeln und standen dann vor der langen Leiter, die wirklich geradewegs in den Himmel zu führen schien. Auf dem ersten Bild kann man gerade noch Ralles Wadeln sehen, im zweiten Bild ist er bereits ziemlich weit oben angekommen und auf dem dritten Bild bin ich gerade auf der Leiter.
Ralle auf der langen Leiter (unten)
Von diesem Felsturm ging es mit einer weiteren Folge von Leitern hinunter in eine schmale Scharte. Hier erwischte uns plötzlich Nebel. Wir hielten inne und beguckten uns das Wetter. Weia. Über den Adamello-Bergen hatten sich dicke dunkle Wolken gebildet, die mit geradezu unglaublicher Geschwindigkeit in die Brenta hinüber zogen. 'Unser' Nebel aber kam aus dem Osten, wo sich über dem Moreno-See Wolken gebildet hatten, die ebenfalls in die Brenta zogen.
Die Scharte, in der wir standen, war einer der wenigen 'Notausstiege' des Bocchette Alta. Nach kurzer Beratung beschlossen wir den Ausstieg zu nehmen und erst mal zum Rifugio Alimonta abzusteigen. Allein in der kurzen Pause war es merklich dunkler geworden und es sah mehr denn je nach Regen aus.
Einstieg zum Abstieg am DeTassis-Steig
Der Abstieg über den Detassis-Steig erwies sich als ein richtiges Highlight. Eine steile Leiter nach der nächsten führte an einer mehr oder weniger senkrechten Wand in die Tiefe. Wir hatten richtig Spass :-) Und staunten nicht schlecht, als es tatsächlich direkt am Ausstieg des Stiegs zu regnen begann.
Um 14:00h waren wir im Refugio Alimonta, eine niegelnagelneue Hütte, die über einen Kachelofen in der Stube verfügt, und diskutierten bei Kaffee und Kuchen das weitere Vorgehen. Diese Nacht war definitiv die letzte, die wir 'oben' verbringen konnten. Alle weiteren Touren würden wir von Madonna di Campiglio aus machen müssen, was jeweils mindestens 700 Höhenmeter zusätzlichen An- und Abstieg bedeuten würde. Inzwischen waren auch unsere Nachsteiger eingetroffen, die ein Stückchen weiter gegangen waren und am zweiten 'Notausstieg' abgebrochen hatten.
Gemeinsam waren wir der Meinung, dass das Wetter eigentlich besser werden müsse und dass wir am nächsten Tag mindestens den Vormittag in schönem Wetter haben würden, um den Rest des Klettersteiges machen zu können. Die Rheinischen Klettersteiger aus dem Rifugio Tuckett (die über den SOSAT-Steig zu Alimonta gelangt waren) steuerten ihren Teil zur Entscheidungsfindung bei, indem sie immer wieder betonten, dass der nächste Teil des Bocchette der aller-aller-schönste sei.
So sollte es also sein. Wir würden hier bleiben, morgen den Bocchette Centrali machen und dann von Madonna aus den Alfredo-Benini-Steig nachholen und auch den SOSAT-Steig machen. Die Nachsteiger wussten auch schon ein nettes Hotel in dem ansonsten geschlossenen Madonna die Campiglio. Dann war es eh Zeit zum Heimfahren, nach dem 'kurzen' SOSAT sollte das leicht noch machbar sein.
Kaum hatten wir diese Entscheidung getroffen, wurde es draussen wieder schön. Eine schöne Bestätigung :-) Wir wurden gleich zappelig. Bis zum Abendessen war ja noch viel Zeit, man könnte doch noch mal raus. Wir beschlossen, den lustigen Leitern-Steig wieder hinauf zu steigen und über den Gletscher zurück zu Hütte zu gehen. Ein kleiner Ausflug, vielleicht 2 Stunden, alles in allem.
Die Route durch die Wand am DeTassis-Steig
Es dauerte nicht lang, dann standen wir wieder vor der Wand durch die der Leitern-Steig führte. Nicht mal wenn man wusste, wo der Steig verlief, war die Route zu erkennen. Wären wir von unten hierher aufgestiegen, hätten wir uns schon sehr gewundert, ob wir hier nicht in einer Sachgasse gelandet wären.
Nur so zum Spass, nochmal alle Leitern rauf
Am Einstieg fing es wieder an zu regnen. Pah! Diesmal nicht. Wir stiegen dennoch ein, zurück zur Scharte mit der Abzweigung und auf der gegenüberliegenden Seite weiter. Von dort führte der Weg in angenehm abzusteigenden Kehren hinunter zum Gletscher und zurück zur Hütte. Nach 2 Stunden waren wir wieder da, gerade recht zum Waschen und für's Abendessen.
nicht mehr weit zur Alimonta-Hütte
Den Abend verbrachten wir mit unseren Nachsteigern, die mit uns in ein 4er-Zimmer einquartiert worden waren. Wir unterhielten uns ausnehmend gut, bekamen tolle Geschichten erzählt (Matterhornbesteigung, wow!) und gaben selber Stories aus unserem Fundus zum besten. Und das Beste - abends sah das Wetter sehr vielversprechend aus!