In der Nacht besuchte ich unsere Toilette drei Mal, jedes Mal mit einem Abstecher nach Draußen zum Wasser holen, denn das Wasser ging ja noch immer nicht. Ich begleitete Ralle aber wie angekündigt zum Frühstück und verabschiedete die Jungs dann mit den besten Wünschen. Dann ging ich erst mal wieder schlafen.
Ralle erzählt:
Nachdem wir bereits einen erfolglosen Versuch über die Südseite von der chilenischen Seite aus hinter uns hatten, soll es diesmal unbedingt klappen. Im Gegensatz zu unseren Gefilden sind in den Anden die Südseiten stärker vereist als die Nordseiten, weil die Sonne auf die Nordseiten brennt während die Südseiten im Schatten liegen. Das stabile Hochdruckwetter hielt immer noch an, so dass wir auch diesmal erst im Morgengrauen starten wollten.
Andrea ging es an diesem Morgen so schlecht, dass sie auf einen Besteigungsversuch verzichtete. So eine langanhaltende Magenverstimmung kostet enorm viel Kraft und der Flüssigkeitsverlust lässt sich in der Höhe kaum ausgleichen. Das bedeutet, dass man immer schwächer wird. Arme Andrea, aber was soll man machen? Dann muss ich halt den Berg für uns beide besteigen.
Noch im Dunkeln fuhren wir mit dem Jeep zum Berg, den wir in der Morgendämmerung erreichten. Porfi fuhr soweit hoch, bis der Jeep in der losen Vulkanasche die Traktion verlor und stecken blieb. Das war dann unser Startplatz.
Die Aschefelder glänzten golden in der Morgensonne als wir aufbrachen. Trotzdem war es empfindlich kalt. Die ersten 200-300 Höhenmeter waren sehr anstrengend, weil man in der Asche nicht richtig Tritt fassen konnte. Dann wurde das Gelände langsam grobschottrig und teilweise sogar blockig.
Es gab auch so etwas wie einen schmalen Pfad, der den Anstieg deutlich angenehmer machte. Inzwischen waren wir aufgewärmt und kamen zügig voran. Auf etwa 5.800m trafen wir auf die ersten Büßereisfelder, die wir größtenteils noch umgehen konnten. Die Eiszacken waren extrem hart gefroren und klangen sehr hell, fast wie Glas, wenn man sie anschlug.
Als sich die Eisfelder zu einem wahren Bollwerk verdichteten, machten wir eine kurze Pause, bevor wir uns an das nun folgende harte Stück Arbeit machten. Die nächsten 200 Höhenmeter mussten wir mitten durch das Büßereisfeld aufsteigen, dann konnten wir größtenteils wieder auf Aschefelder ausweichen. Das letzte Stück zum Kraterrand war eisfrei und relativ gut zu gehen. Gegen Mittag erreichten wir den höchsten Punkt und konnten von dort direkt in den beeindruckenden Vulkankrater blicken.
Erstaunlicherweise hatte sich der Wind auf den letzten Metern etwas gelegt, so dass wir uns am Gipfel Zeit lassen konnten, um etwas zu essen und trinken. Auch von hier aus hat man einen fantastischen Rundblick bei strahlend blauem Himmel. Geschafft, der 5. und letzte 6.000er in diesem Urlaub! Inzwischen sieht die Bilanz, 4 von 5 möglichen 6.000ern erreicht, recht gut aus.
Zum Abstieg wandten wir uns kurz nach dem Kraterrand einem schwarzen Aschehang zu, über den wir in direkter Linie abfahren konnten. Nur im oberen Teil war es stellenweise noch hart gefroren, doch schon nach wenigen Metern versank man stiefelhoch in der Asche. Es staubte gewaltig und ich musste einen großzügigen Abstand halten, um nicht zu ersticken.
Die nahezu ideale Hangneigung erlaubte uns einen flotten Abstieg, der nur knapp 50 min in Anspruch nimmt. Das kann sich sehen lassen, immerhin sprechen wir hier von rund 1.300 hm Abstieg! Dann ging es zurück zum Hostal Sajama.
Unterdessen versuchte ich auszuschlafen, was aber nur bedingt klappte, weil wir in letzter Zeit ja doch viel geschlafen hatten. Um 8 war ich endgültig wach und sah nach, ob ich ein zweites Frühstück bekommen würde. Der Tisch war noch gedeckt, aber es hatte kein heißes Wasser und die Küche war leer. Im Gastraum war es kalt und so setzte ich mich lieber draußen vor unserem Häuschen in die Sonne und frühstückte Cola und Obst aus dem Lunchpaket vom Vortag.
Den Rest des Vormittags verbrachte ich mit kurzen Spaziergängen (die Toilette rief gelegentlich und dringlich) und Rumsitzen in der Sonne an verschiedenen Stellen. Das Bänkle am Kirchplatz bescherte mir das einzige Highlight des Tages, denn ein neugieriges Lama kam langsam auf mich zu, betrachtete mich eine Weile intensiv und spazierte dann weiter. Das war nett :-) Und natürlich schaute ich mir immer wieder den Parinacota an.
Gegen Mittag setzte ich mich vor das Hostal, wo man einen guten Blick auf den Parinacota hat und versuchte, den zurückfahrenden Jeep auszumachen. Mir war schon klar, dass das noch ein bisserl früh war, aber ich war sicher, die Jungs waren schnell unterwegs (ich war ja nicht dabei). Ganz kurz meinte ich sogar, eine Staubwolke gesehen zu haben, dann war da aber doch nichts mehr. Da vorn hatte es aber Wind und ich ging doch wieder rein auf mein sonniges Plätzchen, um mich weiter in Zen und Entschleunigung zu üben.
Und dann kamen sie, die (ich wusste es!) erfolgreichen Parinacota-Besteiger. Beide staubig und Hugo voll des Lobes für Ralle. Wir machten aus, was es Abendessen geben würde, dann setzten wir uns vor unser Häuschen und Ralle erzählte. Von Büßereis, dem elendslangen Anstieg, wie Hugo schon am Kraterrand aufhören wollte, obwohl der höchste Punkt noch ein Stück weiter hinten lag und vom langen Abstieg, der eher ein Downhill-Rennen gewesen war. Ich war beeindruckt.
Nachdem der Ralle ein wenig gegessen und vor allem getrunken hatte, war er müde und legte sich Schlafen. Ich blieb draußen sitzen, übte mich in Zen und Entschleunigung und rückte gelegentlich meinen Stuhl der Sonne nach. Zwischendurch kam das Wasser wieder und ich reinigte alles staubige Zeug so gut wie es ging, damit das schon mal trocknen konnte.
Am späten Nachmittag weckte ich wie ausgemacht den Ralle (dem das wach werden sehr schwer fiel) und wir spazierten nochmal durchs Dorf, um am Kirchplatz ein Bier zu trinken. Später gab es Abendessen, dann gingen wir schlafen.