Zum frühen Frühstück um 5 Uhr waren bereits erstaunlich viele Leute anwesend, als wir als erste unserer Gruppe aufkreuzten. Alles Touristen, die auch mit dem Zug fahren wollten, was sich aus den Gesprächen sehr leicht raushören liess - die grosse Gruppe bestand nämlich aus lauter Deutschen.
Was dann umgehend ein Anlass zum Fremdschämen war, denn die anwesenden 4 Damen und Herren scheuchten alle anderen Gäste von den Tischen nahe am Buffet weg, da sei jetzt reserviert. Nun, wenn sie denn meinen - wir setzten uns woanders hin und genossen eben dort ein ausgiebiges Frühstück.
Pünktlich um sechs waren alle am Bus und Paco kutschierte uns zum Bahnhof, der nicht weit entfernt lag. Benno verteilte sehr schön aufgemachte Fahrkarten und erzählte während wir auf den Zug warteten ein wenig über die ecuadorianische Eisenbahn, die genau genommen aus einer einzigen Bahnlinie quer durchs ganze Land besteht. Eine Schmalspurbahn übrigens.
Bis auf den Teil von Riobamba bis zur Teufelsnase, deren Überwindung zu ihrer Zeit ein technisches Meisterstück gewesen ist, ist die gesamte Bahnline leider inzwischen verfallen. Doch die aktuelle Regierung will die Bahnlinie reaktivieren und Teile der Strecke sind bereits wieder hergerichtet.
Wir würden nicht mit dem Zug fahren, sondern mit dem Schienenbus. Der Grund dafür sei, dass die ursprüngliche Dampfeisenbahn inzwischen zugunsten einer Diesellok still gelegt worden sei. Diese Diesellok sei aber deutlich schwerer als die Dampflok und könne nur zur Trockenzeit fahren, im Moment also nicht.
Ein Schienenbus? Also nicht auf dem Dach sitzen dürfen und dann nicht mal ein richtiger Zug? Meine Erwartungen senkten sich ein weiteres Stück gen Keller.
Gerade als es richtig hell geworden war (was am Äquator recht schnell geht), kam der Schienenbus mit einem einem 'richtigen' Zug würdigen Pfeifen aufs Gelände gerattert und hielt an unserem Bahnsteig.
Eine grosse Gruppe Amerikaner stürmte hinein und besetzte gleich mal den halben Bus mit Jacken und Taschen, wir konnten aber trotzdem sechs beieinander liegende Plätze im hinteren Teil ergattern. Der war schon ganz schön 'bussig', dieser Schienenbus. 2 Zweierreihen Sitze, eng hintereinander gebaut, mit einem schmalen Mittelgang. Und - was aber leider gar nichts nützte - mit einer Doppelreihe Sitze auf dem Dach.
Bevor der Bus losfuhr, stapften erst noch diverse Verkäufer durch den Mittelgang und eine seltsame 3-Mann-Band in Indígeno-Kleidung brachte uns ein Ständchen dar. Dann ruckelte und ratterte es gewaltig und der Bus setzte sich, eine respaktable Dieselwolke hinter sich lassend, in Bewegung. Die hintere Tür war offen, so dass wir immer wieder auch was von dem Diesel hatten.
Alles in Allem war die Zugfahrt eher unspektakulär, was nicht an der Landschaft lag, durch die Bahnlinie führt. Die ist durchaus sehr sehenswert, weil die Bahnlinie recht schön angelegt ist. Das lag einfach daran, dass die Fahrt ruckelig und ratterig und eng und unbequem war und dass man zum Ausgleich nur sehr beschränkt nach draussen gucken konnte.
Schön war der Halt in Guamote. Das war nun ausserhalb der grossen Städte, die wir bisher gesehen hatten, doch mal was vergleichsweise Ländliches und man sah dort auch viele Indígenas in traditioneller Kleidung. Weil Sonntag war, waren alle in ihrem besten Gewand unterwegs und wuselten umher. Es gab viel zu gucken :-)
Richtung Alausi wurde die Landschaft dann rauer und zerrissener bis wir in den tiefen Talscheinschnitt sehen konnten, in den den wir nach einem kurzen Aufenthalt in Alausi hinein fahren würden.
Gleich nach Alausi macht der Zug die ersten grossen Kehren und nähert sich dem bahntechnischen Meisterwerk. Für die Touristen wird an strategisch günstigen Stellen angehalten, so dass man die Streckenführung bei der Teufelsnase erst mal von weitem begucken kann.
An der Nase schliesslich fährt der Zug geradeaus auf ein totes Gleis, dann springt der Zugbegleiter raus, legt eine Weiche um, lässt den Zug rückwärts auf das nächste Gleis fahren (was bedeutet, dass nun die Dieselwolke ungehindert durch die rückwärtige Tür in den Fahrgastraum eindringen kann), stellt die Weiche zurück und springt auf den nun rückwärts fahrenden Zug auf.
Das Ganze wiederholt sich noch einmal bei der zweiten Umkehrstelle, wo der Zug dann wieder vorwärts rauskommt, und dann hat man auch schon das vorläufige Ende der Touristenstrecke erreicht, nämlich den frisch renovierten Bahnhof unterhalb der Nase. Der Zug dreht auf einer Dreieckstrecke um (wobei der Zugbegleiter wieder gefordert ist) und dann geht es zurück nach Alausi, wo Paco bereits auf uns wartete.
Wie man sicherlich merkt, fand ich diese Zugfahrt nicht allzu ansprechend, denn alles was sie interessant gemacht hätte - die Dampflok, auf dem Dach sitzen, Sicht auf die Landschaft - hatte es ja nun nicht gegeben. Ich war echt froh, wieder in Pacos bequemen Reisebus steigen zu dürfen, wo man Platz für die Knie hat und sich strecken kann.
Paco fuhr erst zurück nach Riobamba (mehr oder weniger dieselbe Strecke wie der Zug) und dann weiter nach Ambato und auf die Panamericana, um uns an Quito vobei in den Norden und Osten zu bringen. Wir fuhren ein ganzes Stück auf der der Panamericana, bis Benno schliesslich an einer Art Rastplatz mit Markt halten liess und verkündete, nun könnten wir Meerschweinchen essen.
Wir betraten etwas, was ich als ecuadorianischen Mäkki bezeichen würde, hauptsächlich gefüllt mit Indígena-Familien. Benno meinte, das sei eine gute Fernfahrer-Raststätte und da gingen die normalen Leute zum Essen hin. Denn Meerschweinchen ist ein traditionelles Gericht der Indígenas, das wird in den besseren Restaurants nicht serviert.
Auf meine Frage hin erklärte er dann, dass Meerschweinchen keineswegs günstiger sei als Hühnchen, es sei halt Tradition. Und erzählt von seiner Schwiegermutter, die seinen Töchtern zu verschiedenen Gelegenheiten Merschweinchen gekocht hätte, beispielsweise um die zweisprachig aufwachsenden Kinder, die natürlich eher spät mit dem Sprechen begonnen hatten, mittels Meerschweinchenzunge zum Sprechen zu bewegen.
Wir suchten uns einen Tisch - zufällig genau vor der Schweinderl-Braterei - und liessen Benno das Essen organisieren. Bis auf Gerhard, der das schon mal gegessen hatte, wollten alle mal so ein Schweinchen probieren. Gerhard nahm lieber Hühnchen, Benno freute sich über Kuddelsuppe (also Suppe mit Innereien), auch so ein Gericht, das es in den besseren Restaurants nie gäbe.
Hinter uns konnten wir beobachten wie das mit dem Braten der Schweinchen so geht. Die werden mit Schnur auf einen dicken Drehspiess gebunden und laufen dann ähnlich wie Brathendl vor dem heissen Grill in der Runde.
Schliesslich kam das Essen, jeweils ein halbes Schweinchen mit Kartoffeln und Salat. Die Meerscheinchen werden nicht wie Hendl längs geteilt sondern quer, so dass es da ein Vorderteil und ein Hinterteil gibt. Das Vorderteil mit Kopf und Augen und Zähnen. Ich nahm mir so eines, wenn schon, denn schon.
Das Essen war dann eher eine Fiselei als ein Genuss. Dafür dass so ein Schweinchen so klein ist, hat es eine erstaunlich zähe Haut. Das Fleisch darunter haftet sehr fest auf den Knochen und ist nirgends viel. Geschmacklich erinnert es am ehesten an Kaninchen, ist auch ähnlich trocken. Alles in Allem viel Arbeit für wenig Essen. Getestet, für mittelmässig befunden, muss ich nimmer haben.
Der Ralle machte sich Sorgen über die Reinheit des Essens, angesichts der Zustände in der Braterei sicherlich berechtigt. Aber Benno hätte uns sicherlich nicht hierher geführt, wenn er gemeint hätte, dass wir uns hier irgendwas einfangen, beruhigte ich uns.
Die lange Fahrt in den Norden und Osten ging weiter. Zwischendrin schlief wohl jeder von uns mal ein, die Fotografen schossen Bilder über Bilder aus dem fahrenden Bus, es hatte mal Regen, mal Sonne und alles in allem dauert es sehr sehr lange. Paco blieb unverwüstlich gut gelaunt am Steuer und unterhielt sich mit jedem, der sich neben ihn stellte.
Schliesslich waren wir dann an Quito vorbei und bogen nach Osten ab, hinauf in die Berge sollte es gehen und auf der anderen Seite hinab Richtung Urwald und Amazonas. Unser Ziel war Papallacta, wo es einen Hotelkompex mit angeschlossenen Thermen aus unschwefeligen Heisswasserquellen gibt, in denen wir uns einen ganzen Tag lang einfach nur erholen sollten. Eigentlich vom Chimborazo, ich hatte aber das Gefühl, dass Erholung vom Reisetag nötiger sei ;-)
Oben auf dem Pass war uns ein ganz kurzer Blick auf den Antisana gegönnt, dann machten die Wolken wieder dicht und Paco kutschierte uns die letzten Meter nach Papallacta hinab.
Und das war dann echt ein Ding! Unsere Zimmer lagen in kleinen Holzhäuschen, die um einen wunderschönen Garten herum angelegt waren, dem sich viele dampfende Teiche befanden. Heisswasserbecken, die aus den Themalquellen gespeist wurden und ich die man jederzeit hinein konnte.
Wir verschoben das Abendessen um eine Stunde nach hinten und tauchten erst mal ein in die wunderbaren Becken. Es dauerte nicht lang, dann fanden sich alle in dem kleinen Pool vor unserem Hüttchen ein. Lässig im Wasser liegend unterhielten wir uns bis es Zeit zum Abendessen war.
Das war dann der ultimative Kontrast zum bodenständigen Meerschweinchen vom Mittag. 3 Gänge, schön angerichtet, in angenehmer Athmosphäre in einem sehr schönen rustikalen Raum serviert und geschmacklich eine Offenbarung. Nix gegen das Schweinderl, aber das ist dann doch eher auf meiner Linie :-)
Allzu lang machte ich es nicht an diesem Abend, ich verzog mich vor allen anderen ins Bett. Dass wir am nächsten Morgen eine kleine Wanderung machten konnten, wenn wir wollten, ansonsten aber den ganzen Tag fürs Rumhängen in heissem Wasser hatten, bekam ich grad noch mit. Dann war ich praktisch eingeschlafen, sobald mein Kopf das Kissen berührte. Seltsam dass so ein Nichtstun-Tag dann doch anstrengender ist als Bergsteigen ...