Morgens versuchten wir vor dem Frühstück ein letztes Mal den Gipfel des Tungurahua zu entdecken, aber der verhüllte sich nach wie vor schamhaft.
Diesmal nahm ich zum Frühstück einen Baumtomatensaft, aber das war dann doch nicht so mein Ding. Obwohl der eigentliche Geschmack des Saftes durchaus angenehm war, hatte der Saft so einen komischen 'tomatigen' (naja, Baumtomate halt) Nachgeschmack, der mir überhaupt nicht zusagte.
Als wir dann nach dem Frühstück losfuhren, hatte es angefangen leicht zu nieseln und alles war feucht. Da die 'Hauptstrasse' nach Patate nach wie vor tagsüber wegen Bauarbeiten gesperrt war, musste Paco auf demselben verschlungenen Weg zurückfahren, über den wir gekommen waren.
Das war angesichts der Bedingungen nun ungleich schwieriger, denn Paco musste den schweren Bus nun auf glitschigen erdigen Pisten bergab steuern. An seinem angespannten Gesicht war gut abzulesen, dass das nicht ganz einfach war. Ein par Mal geriet der Bus kurz ins Rutschen, doch Paco konnte das immer gleich wieder abfangen. So kamen wir langsam aber stetig voran.
Bis wir nicht lang nach dem Losfahren sehr effektiv gestoppt wurden: Über die Strasse lag ein riesiger Eukalyptus-Stamm, der von Holzarbeitern vom steilen Hang oberhalb der Strasse hinab geschoben worden war. 5 Männer waren dabei, die Stämme in handliche Stücke zu zerteilen. Freihand mit einer riesigen Kettensäge!
Ich hatte ja mit einem längeren Aufenthalt gerechnet, aber innerhalb von etwa 10 Minuten zerlegte der Mann mit der Kettensäge den Baum in handliche Stücke (jeweils 3 Meter etwa). Einer sass oben im Hang und schob den Restbaum mit den Füssen immer weiter Richtung Strasse während die restliche Mannschaft die Baumstücke zur Seite rollten. Ein eingespieltes Team offenbar.
Wir fuhren weiter und entdeckten hinter der nächsten Kurve eine mobile Säge mit der die Baumstücke in Bretter zerteilt wurden. Alles vor Ort sozusagen und sehr effektiv.
Paco navigierte den Bus weiterhin sehr vorsichtig über die feuchten Pisten und wir erreichten die geteerte Hauptstrasse nach Ambato wohlbehalten. Bevor wir aber nach Ambato fuhren, machten wir noch einen Abstecher nach Salasaca, einem kleinen Ort in der Nähe, wo es schöne und qualititativ hochwertige Webware geben sollte.
Die gab es dort aller Wahrscheinlichkeit auch, ich kann das nicht beurteilen, doch fanden wir nichts, was uns genügend gefiel, um es zu kaufen. Von einem T-Shirt für den Ralle mal abgesehen. Auch meine Eltern waren vor vielen Jahren in Salasaca und brachten von dort ein paar nette Teppiche und Läufer mit.
Es ging weiter nach Ambato, wo wir in einem lustigen Restaurant, in dem sämtliche sieben Zwerge aus dem Schneewittchen-Film von Disney herum standen, exzellent zu Mittag assen. Satt und ziemlich müde (die Kombination von Essen und Nichtstun ist gar fürchterbar) wurden wir dann von Paco zum Chimborazo kutschiert.
Dazu ging es ziemlich weit nach oben, vorbei an den höchstgelegenen Siedlungen Ecuadors (die so um 4800 Meter rum liegen) und in den Nationalpark Chimborazo. Das Wetter liess einiges zu wünschen übrig, zwischenzeitlich regnete es und die höheren Landesteile lagen in Wolken. Wir sahen lediglich den Fuss des Chimborazo und an einigen Stellen einen Teil der Gletscher.
Je höher wir kamen, umso karger wurde die Landschaft, was aber für die dort wieder angesiedelten Vikunias genau richtig ist. Wir sahen verschiedene kleine Herden am Strassenrand, die alle erstaunlich unscheu waren. Dass der Bus in ihrer Nähe anhielt und diverse Fotografen hinaus hüpften und Bilder schossen, störte die Tiere nur mässig. Sie hoben lediglich kurz den Kopf und knabberten dann weiter an den mageren Pflänzchen der Vulkanlandschaft herum.
Am Eingang zum Nationalpark musste Benno die bereits vorab bezahlten Tickets zeigen, dann konnten wir die letzten Meter bis zur alten Chimborazo-Hütte zurück legen. Dort ging es ganz schön zu, was Benno mit den Jahresende-Schulausflügen der Schulen begründete. Es waren tatsächlich erstaunlich viele Kinder unterwegs, von denen einige gerade mit einigen der wenigen Pflanzen der kargen Hochebene zu einem Pick-Up zurück trotteten.
Paco gefiel das gar nicht. Nachdem er den Bus geparkt hatte, hielt er den Kindern eine Standpauke und erklärte uns hinterher, dass er es überhaupt nicht gut fände, wenn die wenigen Pflanzen der Hochebene, die die Vikunias zum leben brauchen und die nur sehr langsam wachsen, von ein paar dummen Kinder ausgerupft werden. Ganz meine Meinung, aber bei den Kindern kam die Standpauke nicht an, glaube ich.
Wir zogen uns um und machten uns dann auf den Weg zur Whymper-Hütte. Ganz unten kommt man an einer Gedenk-Säule für die vielen Opfer vorbei, die der Chimborazo inzwischen schon gefordert hat. In der ganzen Umgebung hat es ausserdem einzelne Gedenkplatten, die allem Anschein nach erst nach der Errichtung der Säule abgelegt wurden, darunter auch eine Platte für ein Deutsches Pärchen, bei deren Suche im Vorjahr auch Benno mitgewirkt hatte.
Es war nicht weit bis zur Hütte, nach einer Dreiviertel Stunde waren wir oben. Das Wetter hatte die Zeit genutzt um von 'solala-aber-immerhin-trocken' in 'windig-mit-Nassschneefall' über zu gehen. Das hatte im Lauf des Anstiegs ganz harmlos begonnen und immer mehr zugenommen, je näher wir der Hütte kamen. Und weil man (ich) ja immer recht spät ans Schlechte glaubt, war der Rucksack oben bei der Hütte dann schon ziemlich durchgeweicht :-(
Die Whymperhütte hat einen grossen Aufenthaltsraum mit angeschlossener Küche und viele kleinere und grössere Zimmer mit Lagern. Benno wies uns eines der grösseren Zimmer zu, wo ich mir das Lager mit dem kürzesten Weg zur Tür aussuchte, da ich annahm, auch diesmal in der Nacht öfters rauszumüssen.
Im Aufenthaltsraum war auch ein 'tiefergelegter' Kamin mit gemütlichen Sitzgelegenheiten davor, in dem ein paar Holzscheite schwelten. Viel Wärme verbreiteten die nicht, aber dafür zog der Kamin eher schlecht, so dass es im Raum leicht rauchig war.
Wir setzten uns in eine Ecke und liessen es uns mit Tee und Cookies und später mit einem Abendessen (natürlich alles wieder prima zubereitet von Elizabeth) gut gehen. Benno stellte uns auch unseren neuen Bergführer Sergio vor, der Boris ersetzte. Bei Boris hatte man inzwischen Anämie festgestellt, was Benno auf vermutlich ungesunde Ernährung zurückführte, denn mangelnde Akklimatisation konnte es ja kaum sein bei einem Mann der mehrmals die Woche auf einen der Vulkane stieg und im Hochland zuhause war.
Cristian war natürlich auch wieder dabei. Allzuviel sahen wir nicht mehr von Sergio, was natürlich auch daran lag, dass wir relativ bald im Bett verschwanden. Schliesslich sollte die Nacht um 11 Uhr zuende sein, da wir um Mitternacht losgehen wollten. 'Morgen' (nach dem Schlafen) war also eigentlich noch heute.